Der Recall und die Kürbiskutsche

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Im heutigen Zeitalter boomt das große Becken „Traummann im Internet finden“ ebenso, wie den Frauchen dieser Welt genau diese benannte Kugel auf sämtlichen weiteren Sektoren offen steht, innerhalb einer schillernden „Wünsch dir was- Plattform“, auch genannt: world wide web. Zum Beispiel die 10 gesündesten Möhrensorten aus 375 vorhandenen Barf- Menüs für Wauzi auszuwählen, um diese dann in maximal 15,5 Stunden und auf kostengünstigste Art und Weise von Berlin nach Hamburg geliefert zu bekommen. Aber das ist natürlich ein anderes Thema. Nun muss zunächst erstmal der ersehnte Traummann her!

Greift die herkömmliche Strategie „sich abends in der In- Kneipe der Stadt die Beine in den Bauch zu stehen“ trotz diverser Anläufe nicht wirklich, und findet sich auch sonst kein mittelprächtiges Ü 30- Party-Event im nächsten dörflichen Bürgerhaus oder gar der „Szene- Disse“ der Stadt, auf dem der goldene Schuh endgültig passend gemacht werden könnte… – nun, dann müssen zwangsläufig auch andere Geschwader herhalten. Nicht verwerflich, nein, keinesfalls. Ist der Traum von der erfüllenden, alles wieder gut machenden, romantischen, verzückenden Liebe und natürlich dem tiefen, tiefen Seelenheil, welches nur – und ausschließlich nur! – damit erreicht werden kann, dass ein passendes, geliebtes, männliches Pendant an der rechten Seite weilt… nachvollziehbar ;-) – ok, Ironie nun aus, soll dies schließlich ein ernsthafter Artikel werden, Mensch ;-)

Gut, gehen wir also einen Schritt weiter. Sämtliche Locations sind inzwischen abgegrast, auch beim Bäcker will sich der Erfolg (trotz morgendlichem, akribischem Styling- Engagement) nicht einstellen (… obwohl man doch gerade das immer wieder liest, dass es die „unerwarteten Orte sind, an denen es „Pling!!!“ macht und im Anschluss ein „Forever mit Ring!“ daraus entspringt…“) und auch die beste Freundin hat keinen erquickenden Rat mehr. Klar, was soll sie auch sagen auf Dauer, ohne mit ihrem Text „Warte mal ab, auch dir wird das Glück noch hold“ irgendwann wie eine leiernde Schallplatte zu klingen, während sie die Wäsche ihrer 3 Kinder in den Schrank sortiert und überlegt, welche der 45 Krawatten der eigene Ehemann morgen am besten zu seinem blauen Streifenhemd tragen könnte, damit der Rubel auch bloß weiterhin rollt, am Ende des Monats. Ok, mit dem Hund war man inzwischen ebenfalls unzählige male unterwegs – genau genommen 3 mal am Tag, davon einmal täglich sicherlich in einer beachtlichen Länge, noch dazu bei Tageslicht, so dass doch eigentlich mal was passieren müsste, oder? – und auch der abendliche VHS- Yogakurs, gekoppelt mit einmal wöchentlichem Töpfern für Berufstätige, die momentan nicht spontan in die Toskana reisen können, wirft nicht wirklich etwas ab. Ersichtlich ist bereits an dieser Stelle, dass sich wirklich reingekniet wurde, in das Vorhaben, die nahende, diesjährige Silvesternacht in den Armen des Helden zu verbringen, der alle bisher vergossenen Tränen dauerhaft und natürlich endgültig trocknen wird.

Nahezu alles wurde inzwischen ausgeschöpft, und natürlich auch Faustregel Nr. 1, im täglichen Dialog mit dem Universum, „blooooooß nicht zuuuuuuuu intensiv zu wünschen, dass doch endlich alles gut wird und Mr. Right dafür endlich, endlich in seinem schicken Audi um die Ecke gefahren kommt“ wurde sorgsam bedacht und integriert. Und dann kommt der Moment, in dem Muttern nachmittags bei Apfelkuchen und Käffchen sagt: „Kind, vielleicht solltest du es auch mal mit so einer Kontaktanzeige versuchen. Hab ich neulich erst in der Werbung gesehen! Und was waren die guuuuuuutaussehend und vor allem auch so gebildet und reich, diese Männer, die man da so sehen konnte. Und guck: die haben auch alle noch keine Frau gefunden! Das wäre doch was für dich!“. Und Muttern, die ihren Traum natürlich auch nach Jahren noch nicht aufgegeben hat, das geliebte Kind irgendwann doch noch in der kleinen, schnuckeligen Kürbiskutsche, mit Sternenstaub versehen, direkt vor der Kirche abzuladen, könnte nun eigentlich „Bingo“ rufen! Die glorreiche Idee fand geheimen Anklang (was auch sonst, bevor es irgendwann in schier restlose Verzweiflung ausartet) und eine Anzeige wird gleich am nächsten Abend – zunächst natürlich top secret! – aufgegeben. Und siehe da: nach einigen akrobatischen Verrenkungen, sich selbst möglichst humorvoll, attraktiv, gebildet und „nicht allzu sehr suchend“ zu präsentieren, steht der werbende Text endlich im Profil… und ZACK, die ersten Angelhaken- Kandidaten beißen bereits wenige Stunden später an. Regelrechte „Postberge“ fallen von nun an nahezu täglich vor die Füße der hoffnungsvollen Texterin und die Masse an Auswahl auf dem Heiratsmarkt ist nach wenigen Tagen bereits kaum noch zu überblicken (… sofern man, zumindest in Ansätzen, selbst die Tageslicht- tauglichsten Bilder ausgewählt hat, die das Handy in der Rubrik Selfie überhaupt nur hergeben konnte). Gesagt – getan. Nach der einen und anderen Rumplänkelei in den Anbieter-genormten Nachricht versenden- Spalten, wird es konkret. Einem ersten auserwählten, der eigenen Handynummer würdigen Objekt wird genau diese Nummer nun geschickt, so dass man sich die weiteren Frage- Antwort Spielchen nun praktischer Weise via whatsapp liefern kann. Klar, erspart dies den nervigen Einlog- Vorgang im großen Becken, parallel stattfindende, ablenkende Zutextereien anderer Angelhaken- Anwärter sind zunächst erstmal in die Warteschleife geschoben, und außerdem muss dem fleißigen, der deutschen Sprache mächtigen Komplimente- Schmeißer ja auch irgendwie mal signalisiert werden: „DU bist in meinem Recall gelandet!“. Applaus! ;-)

2 Tage lang wird nun fleißig miteinander geschrieben, und dann kommt sie endlich… die völlig unerwartete, spontane, nahezu unglaublichste Fragen aller Fragen: „Wollen wir mal telefonieren?“ –

Telefonieren, klar können wir das, was sonst :-) Zur gefühlten Sinnhaftigkeit dieser Telefonate, ein kurzer Abriss dazu, damit bloß keiner aus den Wolken fällt, wenn er feststellt, dass das immer und immer und immer wieder das gleiche Spiel ist, so, wie sich auch die Spielregeln von Mau- Mau nicht mehr ändern werden. Also, das erste Telefonat, wie geht das denn nun alles?

1. Man erzählt sich möglichst erheiternde, maximal positiv ausgerichtete Sachen, klingt dabei 2. natürlich ganz besonders wach, herzhaft, interessiert, motiviert, lustig sowieso (sofern man denn Humor besitzt, ansonsten tut man so!). 3. ca. 20 hochgradig anteilnehmende „Ahas“, „Ohos“ und „wow, wie spannend“ wandern parallel beidseits in den Hörer, immer dann, wenn das Gegenüber etwas gesagt hat, egal wie nichtssagend es auch war. 4. Was auch immer es sein mag, und selbst wenn es an Einfältigkeit oder gar Andersartigkeit zu den eigenen Gedanken und Vorstellungen nicht mehr zu überbieten ist: „lächeln, lachen, fröhlich klingen, lustig sein UND Verständnis und Empathie für das Gesamtgeschehen aller Erzählungen zeigen!!! – komme, was will!“. 5. Nun hat man die Stimme gehört (aber das Gegenüber noch lange nicht gesehen!), man hat 6. wesentliche Eckdaten subtil erfragt, aber trotzdem zielsicher abgeklopft (nein, das Gegenüber hat natürlich nicht bemerkt, das man es gerade hinsichtlich aller potentieller Heiratschancen abgecheckt hat!) und dann kennt man die „Rahmenbedingungen“, die später noch einmal konzentrierter gescannt werden. 7. Nun bedankt man sich für das geistreiche, witzige Telefonat (klar, wer will auch schon schlecht abschneiden dabei?) und dann kommt es so, sofern der Scan denn positiv war, wie es immer kommt: 8. Dingfest machen: „So, das war ja nun so dermaßen sympathisch alles mit dir grad, Du. Wann trinken wir denn mal einen Kaffee zusammen?“ –

Und hier beginnt dann eigentlich schon die nächste Geschichte. Ist es ja nicht so, dass einem der Café Latte nicht selbst schon um ein Haar in die Luftröhre gelaufen wäre, durch das, was das Gegenüber so von sich gab, beim ersten unverbindlichen „Blind-Date zum Käffchen“…

Ich denke, dass viele Frauen manche Lieder einfach zu oft gehört haben, und sie ihnen deshalb inzwischen zu den Ohren raushängen. Vielleicht ist das auch der Grund für diese oftmals gefühlte chronische Langeweile auf dem Sektor „neuen Mann kennenlernen“, der viele eben längst nicht mehr veranlasst, sich einzureden, dass nur die Symbiose XY langfristig glücklich macht. Auf Teufel komm raus einen Typen suchen kann nur schiefgehen, da bin ich ziemlich sicher. Und das Lebensglück von einem Partner abhängig machen? – nein, Mädels, kann ebenso nur schiefgehen. Mir persönlich gehen Frauen inzwischen tierisch auf den Zeiger, die ihr komplettes Selbstbild zum Abbild verkommen lassen, bzw. als Hologramm durch die Gegend eiern, weil es solo eben zu nichts wirklich reicht. Das ist jedoch ein anderes Thema. Fortsetzung folgt.

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