Das Gesicht der Prüfungsangst

Die folgenden Inhalte beschäftigen sich erklärend mit dem Phänomen Prüfungsangst, ihrer Entstehung, ihren Symptomen und Folgen für Betroffene.

Angst – zunächst nichts unnormales

Angst- ein Phänomen, das jeder von uns kennt. Wir handeln z.B. aus Angst zu versagen, ignoriert oder missachtet zu werden. Wir haben Angst vor so vielen Sachverhalten und Ereignissen, wie z.B. der Liebe, der Übernahme von Verantwortung, neuen Herausforderungen oder gar Angst vor dem eigentlichen Leben. In der Entwicklungspsychologie spricht man von einem „lebenslangen Prozess eines sehr komplexen Wirkungsgefüges, an dem unterschiedlichste Faktoren beteiligt sind.“

Der „Sinn“ der Prüfungsangst

Prüfungsangst hat zunächst auch positive Funktionen: sie fördert die Aufmerksamkeit und Konzentration des Prüflings und mobilisiert wichtige Energien, die sich positiv auf das Geschehen auswirken. Angst ist demnach zunächst eine biologisch sinnvolle Reaktion mit hohem Überlebenswert. Sie dient dem Menschen z.B. zur Vermeidung einer Gefahr. Eine so universelle Emotion muss doch einen Nutzen haben?  Ja, denn ganz ohne Angst würden wir wahrscheinlich nicht lange leben.

Die Angst lähmt nicht nur, sondern enthält die unendliche Möglichkeit des Könnens, die den Motor der menschlichen Entwicklung bildet.

Trotz dieser Erkenntnisse bewerten Prüflinge ihre Prüfungssituationen bei weitem nicht als „großartige Chance, die erworbenen Fähigkeiten an Tag X endlich optimal unter Beweis stellen zu dürfen und sich ihnen aus genau diesem Grund natürlich gerne zu stellen“. Nein, viel eher werden Prüfungen mit der Angst vor dem Versagen und dem nicht Erreichen von Erwartungen verknüpft (… erlebt und verinnerlicht).

Prüfungsangst und Leidensdruck

Wenn Prüfungsangst zu einer großen inneren Belastung wird oder gar zu starken (symptomatischen) Ängsten und/ oder Panikattacken führt und die Prüfungsleistung negativ beeinflusst, ist sie negativ zu bewerten. Echte Prüfungsangst kann dabei sehr klar von „Aufgeregtheit“, „leichter Nervosität“ oder „Besorgtheit“ abgegrenzt werden.

Prüfungsangst wird als eine anhaltende und deutlich spürbare Angst in Prüfungssituationen und/ oder der Zeit der Prüfungsvorbereitung definiert, die von psychischen und vegetativen Symptomen begleitet wird und meist zu einer Vermeidung der Prüfung oder sogar zum Versagen führen kann“.

Starke Angst erlaubt dem Individuum nicht, seine Kompetenz voll in die Anforderungssituation einzubringen, was innerhalb einer Prüfung fatale Folgen haben kann.

Prüfungsangst entsteht – wie es der Natur von Ängsten entspricht- im Kopf und bezieht sich häufig auf spezielle Situationen, die unser Selbstwertgefühl bedrohen: in einer Prüfung wird von einem Lernenden zunächst erwartet, dass er sich und sein Können „unter Beweis stellt“. Das alles geschieht unter Beobachtung des Prüfers/ der Prüfer.

Hinter Prüfungsangst verbirgt sich nicht immer nur  die Angst vor der Situation selbst. Prüfungsangst kann auch die Angst vor den Folgen des Versagens beinhalten, z.B. die Reaktion von Eltern und Freunden oder schlechtere Aussichten auf einen Arbeitsplatz. Besonders ausgeprägt ist die Angst oft dann, wenn die Prüfung für das zukünftige Leben entscheidend sein kann. Bei einigen Betroffenen ist auch die Angst vor der Prüfungsvorbereitung vordergründig, bei anderen hingegen sind es die Gedanken an den oder die Prüfer, die z.T. sehr starke Reaktionen hervorrufen können. Eine ebenfalls häufige (gerne aber außer Acht gelassene) Form der Prüfungsangst ist die Angst vor den Folgen einer bestandenen Prüfung. Zum Beispiel befürchten Lernende (bewusst oder eben auch unbewusst), den zukünftigen Leistungsanforderungen nicht gerecht zu werden. Ganz nach dem Motto: „wenn ich diese (berufliche) Abschlussprüfung bestehe, trage ich die Verantwortung für mein Handeln danach ganz alleine! Hilfe!“.

Wie entsteht Prüfungsangst?

Vieles spricht dafür, dass Prüfungsangst erlernt ist. Der elterliche Erziehungsstil, (Leistungsansprüche, Umgang mit Misserfolgen) und auch die Persönlichkeit der Eltern (Vorbildfunktion) prägen dabei in nicht unerheblicher Art und Weise den eigenen Umgang mit Prüfungen. Frühere Erfahrungen mit Prüfungssituationen (z.B. Reaktionen von Lehrern) aber auch die inzwischen sehr hohen gesellschaftlichen Leistungsansprüche wirken sich auf unsere innere Einstellung und Haltung aus. Die gesellschaftlichen (kollektiven) Leistungserwartungen spielen eine immer größer werdende Rolle und erzeugen bei vielen Menschen den sog. Leistungsdruck.

Auch intelligente Kinder leiden unter Prüfungsangst

Kinder konzentrieren sich häufig auf die Angst, weil sie eine Prüfungssituation (noch) nicht als eine Situation erleben, in der ihr Lernen auf dem Prüfstand steht, sondern sie haben das Gefühl, als ganze Person geprüft zu werden. Wenn eine Prüfung also negativ ausfällt, dann haben (auch erwachsene) Menschen mit Prüfungsangst oft das Gefühl, als gesamte Person negativ bewertet worden zu sein bzw. versagt zu haben. Und das wirkt sich ganz klar auf ihr Selbstwertgefühl aus.

Prüfungsangst hat nichts mit der Begabung eines Menschen zu tun. Auch hochbegabte und intelligente SchülerInnen können darunter leiden. Nach wissenschaftlichen Schätzungen sind etwa jeder 6. Schüler und jede 4. Schülerin von Prüfungsangst betroffen.

Besonders ausgeprägt ist Prüfungsangst, wenn die Prüfungsanforderungen als sehr hoch, und im Gegensatz dazu die eigenen Einflussmöglichkeiten als sehr gering eingeschätzt werden. Je größer hierbei das gedankliche Ungleichgewicht ist, desto größer ist die Prüfungsangst.

Wenn Menschen unter Prüfungsangst leiden

Prüfungsangst taucht in ganz unterschiedlichen Ausprägungen auf. In leichter Form wird sie gerne mit „Lampenfieber“ gleichgesetzt. Auch hierbei entwickelt sich bei dem Betroffenen ein Stressgefühl, das ebenfalls unangenehm empfunden wird, das eigentliche Verhalten, das Wissen und die Aufnahmefähigkeit in der Prüfungssituation aber nicht beeinflusst.

Bei anderen Menschen hingegen äußert sich Prüfungsangst in quälenden Zuständen, die z.T. starke psychosomatische Beeinträchtigungen mitbringen und auch die Lebensfreude maximal mindern können. Nicht nur der Körper selbst kann dabei unter der Prüfungsangst leiden (auch soziale Kontakte, das Alltagsleben, die Hobbys, Familie, Freunde und Partnerschaft). Betroffene nehmen sich keine Zeit mehr für die Pflege ihres Wohlbefindens, notwendige Ruhephasen und den damit wichtigen Ausgleich zum Stress, weil sie oft durch ein schlechtes Gewissen geplagt werden, und die Panik steigt mit dem dauernden Gefühl „vermeintlich nicht genug gelernt zu haben“. Betroffene sind häufig gereizt, übellaunig und fühlen sich „von allen überhaupt nicht verstanden“.

Für Außenstehende ist es tatsächlich oft mehr als schwer, diese Ängste verstehen zu können, vor allem dann nicht, wenn Prüfungsangst in einer so extremen Ausprägung selbst noch nie erlebt wurde. An diesen Stellen wirken sie zudem auch nicht, die „vielen tollen Tipps“, die bei anderen „Wunder bewirken“. Möglicherweise machen sie alles nur noch viel schlimmer.

Es ist nicht ganz leicht, zu unterscheiden, wo die Grenze zwischen gesunder und krankhafter Prüfungsangst ist. Die Frage ist zudem, ob diese Unterscheidung wirklich wichtig ist? Entscheidend ist für mich in meiner Tätigkeit als Coach, Betroffene zu begleiten, die ihren eigenen Prüfungs-Leidensdruck wahrnehmen, diesen nicht länger (er)tragen möchten und deshalb den Weg in meine Praxis finden.

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