Deine Schuld – oder auch nicht. Die Kunst wieder aufzustehen.

Resilienz

Nach Stefan Vanistendael versteht man unter der sog. Resilienz „die Fähigkeit Erfolg zu haben, zu leben, sich auf sozial akzeptierte Weise positiv zu entwickeln – trotz Stress oder anderer Umstände, die normalerweise das Risiko eines negativen Ausgangs erhöhen“.

Und vielleicht wird er irgendwann kommen. Der Tag, an dem die „große Prüfung“ da ist und das Unglück auch an deine Tür klopft. Und oft ist es dann sehr, sehr schwer – für manche Menschen nahezu unmöglich – sich nicht schuldig zu fühlen.

Woran liegt das? 

Wir erleben es nicht selten, dass Menschen hinter dem Rücken ihrer Mitmenschen (oder zumindest hinter der sicher vorgehaltenen Hand!) den überzeugten Satz loslassen: „Na ja, wenn du dir ihr/ sein Leben mal ansiehst… eigentlich hat er es ja auch nicht besser verdient, oder?“. Mit einem nahezu unfassbaren Mangel an Empathie werden dann Sprüche laut, „dass so etwas ja passieren musste irgendwann, und dass es derjenige nicht besser verdient hat“, oder „dass das nun sicher seine Strafe ist, nach allem, was er so verzapft hat, in seinem Leben!“. Und so kann es sehr schnell passieren, dass ggf. auch wir einmal in unserem Leben an dem Punkt landen können, und Schuldgefühle entwickeln.

Ein Charakteristikum, das sog. resiliente Menschen auszeichnet, ist die Fähigkeit, Schuldzuweisungen durch die Umwelt kein Gehör zu schenken und das eigene Gewissen nicht unerträglich damit zu belasten. Das bedeutet nicht, dass sich jeder – autonom losgelöst von der Gesellschaft und ihren, das Zusammenleben sichernden  Normen loslösen kann, und ab heute nur noch macht, was ihm gefällt – nein. Natürlich muss (sollte!) jeder von uns Verantwortung für sein Tun übernehmen, für Fehler einstehen und sie nach Möglichkeit auch wieder gutmachen. Doch ganz genau so (überlebens!)wichtig ist es, zu erkennen, wo die eigene Verantwortung endet!

Leider leben wir in einem System, in dem es ziemlich „normal“ ist, Betroffenen die „Schuld“ für ihr eigenes Unglück zu geben. Und im Grunde genommen – auch wenn es sich zunächst lediglich verwerflich liest – ist das nichts anderes als ein eigener, ganz grandioser Selbstschutz, der da aus den Katakomben des Geistes gezogen wird, bevor der Mund aufgeht. Denn: so lange wir glauben können, dass es für das Leid und den Schmerz einer Person natürlich (!) erklärbare Gründe gibt, die diese in höchstem Maß selbst zu verantworten hat, heißt das im direkten Umkehrschluss, „dass mir, so lange ich nur gut oder „brav“ bin, auch nicht schlimmes passieren wird!“.

Diese Einstellung – ungeachtet dessen, wie viele Menschen nun abwinken werden und inbrünstig sagen: „nee, wie käme ich denn auch auf so was?“, ist uns allen angelegt, selbst dann, wenn wir uns NICHT darüber bewusst sind. Angeborene Selbstverteidigung, so kann man das auch nennen. „Indem wir jene strikt zurückweisen, die gerade eine schreckliche Krise, einen schweren Schicksalsschlag oder weitere „Lebens-Katastrophen“ erleben, die man selbst auf keinen Fall erleben möchte, versuchen wir unbewusst, uns selbst vor diesem Unglück zu bewahren.“

Die Autorin Myriam Imena beschreibt in ihrem Buch „Mein Leben am seidenen Faden“ ein Beispiel. Sie erzählt ihrer ehemaligen Arbeitskollegin, dass sie an Krebs erkrankt ist, und welche Reaktion sie erfährt: „Du solltest das nun positiv sehen! Immer positiv denken! Schau, so viele Menschen sind wieder gesund geworden und so schlimm, wie du nun vielleicht denkst, ist das gar nicht! Ruf mich an, sobald du wieder fit bist!“. Dahinter verbirgt sich die Botschaft (auch wenn das zunächst nicht selbsterklärend einleuchtend erscheint!) „Du bist für dein Problem nun selbst verantwortlich, also muss ich mich nun nicht damit auseinandersetzen und dir helfen!“.

Um ein wesentlich „alltäglicheres“ Beispiel zu bedienen? Ok :-) Du triffst einen Menschen, den du schon etwas länger nicht gesehen hast. Er fragt dich dann: „Und geht´s gut?“. Er fragt nicht: „Und? Wie geht es dir?“ – Tataaaa – erkennst du den Unterschied zwischen beiden Fragen? Erklennst du den Selbstschutz, der durch Frage- Variante 1 automatisch da ist? Erkennst du, dass er dir die Antwort bereits vorgibt, um sich mit einer etwaig anders ausfallenden Schilderung deinerseits nicht befassen zu müssen?

Wissenschaftlich belegt ist heute, dass Schuldgefühle sehr schwerwiegende Konsequenzen für die „Schuldträger“ haben. Sie verbrauchen Lebensenergie, ersticken die Hoffnung und lähmen die Fähigkeit des Organismus, Mechanismen wie z.B. die eigenen Selbstheilungskräfte aktiviert zu bekommen.

Und genau aus diesem Grund gehört deine eigene Fähigkeit, keine ungerechtfertigten Schuldgefühle zu entwickeln, zu leben, zu beherbergen und zu vermehren – ganz egal ob sie offen oder versteckt an dich herangetragen werden – zu den absoluten Grundpfeilern deiner Resilienz.

Viele Menschen haben ein (bewusstes oder unbewusstes) „Resilienzproblem“, welches wiederum eine ganze Kette von „energetischen Blockaden“ mit sich bringen kann. Sei mutig! Schau sie dir mal genau an, deine Resilienz! Es lohnt sich!

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