Der Tierschutz und der Knall, der leise kommt.

Gewidmet meiner lieben Christiane und ihrem Sohn Nils, die derzeit ein großartiges Projekt starten, für das ich von Herzen das Beste wünsche.

Ich kann alles schaffen, was ich will. Das ist die uneingeschränkte Wahrheit. Die einzige Frage, die du dir dafür ehrlich mit JA beantworten sollst, lautet: Glaubst du daran?

Ich kann mich noch gut an meine Anfänge in der aktiven Tierschutzarbeit erinnern. Und ich weiß natürlich noch sehr genau, wie unbesiegbar man sich in dieser Phase fühlt. Getrieben und immer wieder angetrieben von all diesen vielen Seelen in Not, deren Photos man Tag für Tag erblickt, deren traurigen Schicksale man kennt, denen man „einfach helfen muss“, weil sie das Herz in jeder einzelnen Zelle berühren. Und weil sie es – oft genug – unsagbar schmerzen lassen. Die Option „diesem Hund kann man nun grad nicht helfen“, wenn einen sein Schicksal einmal „infiziert“ hat, scheidet aus. Es gibt sie nicht, diese „geht nicht- Option“! „Geht nicht gibts nicht“, das trifft es wohl, wenn man einmal in diese Seelenverbindung zu einem Tier hineingegangen ist. Bei mir passierte diese „innere Kontaktaufnahme“ in unzähligen Fällen, wenn ich Photos aus Spanien sah, auf denen mich die Augen des Hundes ganz direkt ansahen. Das hat sich oft so gefühlt, als käme dieser Hund direkt aus dem Photo heraus, hinein in mein Herz. Nahezu flehend, endlich herausgerettet zu werden, aus seiner traurigen Lebenswelt. Das Problem ist – vor allem im Zeitalter der multimedialen Möglichkeiten, sozialen Netzwerke und der Tatsache, dass allein ein Partnertierheim in Hochzeiten bis zu 360 Hunde beherbergt – dass es nie EIN Hund ist, dessen Rettung auf der persönlichen „Es muss nun ganz dringend etwas passieren -Liste“ steht. In der Regel sind es unzählige Hunde, für die eine Ausreise Lebensrettung bedeutet. Und du weißt das. Dieses Wissen ist sicher der Motor eines Tierschützers. Dieses Wissen sorgt dafür, dass Schlaf, Erholung, Freizeit, notwendige Pausen, Hobbys, Ausgleich… irgendwann nahezu ausgeschlossen sind. Und es ist nicht so, dass man sich bewusst dafür entscheidet. Es passiert einfach. Vor allem in den Anfängen, und natürlich in den weiteren Ausläufern einer engagierten Arbeit, innerhalb derer man klare Ziele vor Augen hat, innerhalb derer eigene „Herzschmerz- Beruhigung“ an der Rettung jedes einzelnen Hundes festgemacht wird und innerhalb derer noch etliches im Aufbau steht (eine Vereinsgründung, z.B.), ist es zunächst unvorstellbar, dass eigene Kräfte und Ressourcen irgendwann schwinden werden. Als „Tierschutz- Youngster“ habe ich damals lediglich müde gelächelt, abgewunken und „ich doch nicht!“ gedacht, wenn mir alte, erfahrene „Hasen“ den guten Rat gaben, stets auf meine Gesundheit zu achten. Heute – einige Jahre später – weiß ich, was sie damit meinten. Heute – nach der Beendigung meiner eigenen 24 Stunden- Tierschutz-Zeit – kann ich mit Gewissheit sagen: „Eine Schräglage sollte bereits dann erkannt werden, wenn sie sich ankündigt. Und dann liegt es an dir, sehr schnell notwendige Veränderungen zu schaffen.“. Ich möchte hier keinesfalls schwarz malen oder Prognosen in düsterster Manier zu Papier bringen. Ich möchte dich lediglich erinnern, dass DU dich nicht vergisst innerhalb deiner wunderbaren Arbeit für die Tiere, und dass du deinen Körper und deine Seele nicht konsequent überhörst, wenn sie mit dir sprechen. Nachfolgend möchte ich den vielen leidenschaftlichen Tierschützern dieser Welt ein paar Gedanken- Impulse schenken, mit den allerbesten Wünschen für euch, eure Arbeit, euer großes Herz und – das sicher Wesentlichste – eure Gesundheit. Ohne sie, das ist ein Fakt, werdet ihr keine Hunde mehr retten können. Ohne sie könnt ihr dann viel eher darüber nachdenken, wie ihr euch selbst rettet. Meinem eigenen Herz geht es heute wieder gut. Und ich danke dem Himmel dafür.

  • einen 24 Stunden- Tierschutz wirst du, wenn du gut belastbar bist, zunächst über einen langen Zeitraum durchhalten. Bedenke jedoch: ein Körper, der keine Ruhe- Phasen mehr hat, wird krank werden. Ich weiß, dass du das nun vielleicht, in deiner kraftvollen, unbesiegbaren Phase deines Helfer- Enthusiasmus, für dich ausschließt, ja. Glaube mir bitte: der ganz große Knall kommt leise. Und erst dann ist er laut.
  • Finde dich damit ab, dass es in einem Verein, in dem neben dir noch sehr viele andere Menschen aktiv sein könnten, (d)ein Trugschluss ist, dass sie das sind. Finde dich damit ab, dass die tatsächliche, aktive und notwenig- durchdachte Arbeit eines professionellen Rettungstierschutzes in aller Regel an 2- 3 Personen „hängen wird“. Wenn du dieses Wissen verinnerlicht hast, ist die nächste Frage: „Passt die Arbeitsbelastung in deinem Verein zu der Anzahl der tatsächlich arbeitenden weiteren Mitglieder?“. Nein? Gut, dann reduziere zügig die Aktivitäten, so schwer (und wenig einsehbar hinsichtlich der dringend notwendigen Hilfe!) das zunächst auch erstmal für dich sein wird.
  • Lege klare Zeiten fest, in denen dich Interessenten, potentielle Adoptanten und alle weiteren Menschen in diesem Kontext (telefonisch) erreichen können. Setze dich nicht unter Druck, in Sorge „einem Hund könnte eine Chance entgehen!“, jederzeit erreichbar sein zu müssen und jede eingehende E-Mail noch am selben Tag beantworten zu müssen.
  • Behalte (d)einen Ausgleich, innerhalb dessen du dich mindestens an 2- 3 Tagen in der Woche nicht (!) mit dem Tierschutz beschäftigst. „Nicht beschäftigen“ meint „tatsächliche Auszeiten haben“, in denen du auch nicht auf deiner Fanseite, deiner Homepage oder generell auf Facebook mit seinen 35000 Hundephotos pro Tag unterwegs bist.
  • Verabschiede dich von dem Anspruch (genau in dem Moment, in dem dein Verein „erfolgreich ist“ (wie auch immer man diesen Erfolg definieren mag…), dass dich die Menschen deiner „Tierschutz- Umwelt“ lieben werden. Freunde dich eher rasch und konsequent mit dem Gegenteil an. Das ist zunächst ein Lernprozess (ja, es ist nun mal ein Grundbedürfnis des Menschen „geliebt zu werden“, ob er das nun zugibt oder nicht), aber durchaus schaffbar, wenn du dir klar bewusst machst, dass dies nicht (!) dein Anspruch ist.
  • Finde dich damit ab, dass, egal wie aufrichtig engagiert du auch arbeitest, es grundsätzlich Menschen geben wird, die dich und dein gesamtes Tun kritisieren werden. Menschen, die es in jeglicher Situation, Entscheidungsfindung, Diskussion etc. „besser wissen werden“. Menschen, denen du es nie recht machen kannst, egal, wie intensiv du das versuchst. Neben den Menschen, die „immer schon alles vorher gewusst haben“, das aber grundsätzlich immer erst später kundtun.
  • Mache dir in diesem Kontext bewusst, dass viele Menschen gerne deine Qualitäten hätten, sie aber de fakto nicht haben. Das Erkennen dieser „eigenen Defizite“ wird sehr schnell Neider erwecken und es wird dann Menschen geben, die dir vorne ins Gesicht lachen, um dir seitwärts einen Dolch in die Rippen zu stoßen, sobald sich eine Gelegenheit dazu bietet. Tierschutz und Neid ist untrennbar.
  • Ein guter Gegenpol zu dieser Tatsache sind deine echten Freunde. Vernachlässige sie NIE innerhalb deiner aktiven Tierschutzzeit! Du wirst sie brauchen! Trenne den Tierschutz von deinen Freundschaften!
  • Finde lediglich zwei Menschen (in einem Team), mit denen du auf der Herz- und Seelenebene „gleich tickst“ innerhalb eurer gemeinsamen Tierschutzarbeit. Mit diesen zwei Menschen wirst du effektiver, zufriedener und nachhaltiger arbeiten können, als mit 8, 10 oder noch mehr Leuten, dauerhaft nur deine Zeit, Energie und Ressourcen zu strapazieren.
  • Stelle dich darauf ein, dass du in dem Moment, in dem du „von dir auf andere schließt“ (was Engagement, zeitlichen Einsatz, Bereitschaft, Aktivität betrifft) bereits mitten drin bist, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Auch wenn Menschen nachweislich in deinem Verein sind, und vermutet das gleiche Ziel vor Augen haben sollten: streiche diese Erwartung schnell und restlos!
  • Sichere jegliche schriftliche Konversation, die zwischen dir und anderen Tierschutz- beteiligten Menschen stattfindet. Sei ordentlich und genau in dieser Administration. Sie kann ggf. sehr wichtig (und entlastend!) für dich werden.
  • Sei nicht monatelang mit der Entscheidung schwanger, dich von Menschen zu verabschieden, die nicht in dein Team passen. Dulde keine dauernden Störenfriede! Sie machen die Arbeit, die Zufriedenheit und das gesamte Klima in einem Verein kaputt. Trenne dich schnell, wenn du ersiehst: „mehr als Treibsand ist hier nicht!“. Negativer Energie, mit der du dich (dann zwangsläufig dauernd!) gedanklich beschäftigen musst, wird immer nur weitere negative Energie folgen.
  • Bedenke bei allem, was du tust, dass auch du nur ein Mensch bist! Bedenke, dass du nicht in allen Lebens- und Arbeitsbereichen 100% geben kannst, so gerne du das auch würdest! Wenn du einen fordernden Job hast und gleichzeitig aktiven Tierschutz betreibst – nun, dann wärest du rein rechnerisch ja bereits bei 200%. Dies ist so oft der Anspruch, ja. Machbar? Leistbar? Vertretbar? Nein. Sicher nicht.

Sicherlich könnte ich nun noch viele, viele Seiten füllen, mit weiteren Inhalten, die dir helfen können, deine wunderbare Tierschutzarbeit nicht irgendwann nur noch als große Belastung zu erleben. Und darüber hinaus – schlimmstenfalls – krank zu werden. Gerne darfst du mir schreiben, wenn du vor (d)einem „Tierschutz-Problem“ stehst, innerhalb dessen du einen neutralen, geschulten „Blick von außen“ gut gebrauchen könntest. Herzliche Grüße.

Sandra Reinheimer – Follow your InnerVoice – sandrareinheimer.com

4 Antworten auf „Der Tierschutz und der Knall, der leise kommt.“

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